@quiztime: Verifikation kollaborativ lernen

Menschen in roten Anzügen (Foto: Marco Bereth)
Ob Augenzeugen-Videos oder virale Fotos: Das Überprüfen von Inhalten aus den sozialen Netzwerken ist im (Online-) wird immer wichtiger. Trainieren können Profis und Einsteiger Verifikation mit einer regelmäßigen Quizreihe auf Twitter.

Im März 2017 hat Julia Bayer, Journalistin und Trainerin bei der Deutschen Welle, damit begonnen, auf ihrem Twitter-Account mit dem Hashtag #MondayQuiz Fotos zu posten und ihre Follower aufgefordert, zu recherchieren, wo sie das Bild gemacht hat. Auf Englisch, um ein internationales Publikum anzusprechen. Und tatsächlich beteiligen sich auch Twitter-Nutzer aus ganz verschiedenen Ländern an den Aufgaben, zu deneninzwischen fast täglich neue dazukommen.

Die @quiztime-Woche

Coffeeshop
Wo genau befindet sich dieses Etablissement? (Foto: Fiete Stegers)

Denn nach und nach haben weitere Kollegen begonnen, im Wechsel mit Julia Bayer ähnliche Aufgaben für die Internet-Recherche an anderen Wochentage zu posten. Die meisten sind deutsche Journalisten (wie ich selbst), aber auch ein Kollege von Bellingcat und ein IT-Security-Spezialist gehören zum verstreuten Team.

Schwerpunkt Geolocation

Bei vielen der Aufgaben, egal ob ein Kunstobjekt, eine Straßenszene oder eine Landschaft zu sehen ist, handelt es sich um klassische Geolokalisierung, um den Entstehungsort eines Fotos zu finden: In der journalistischen Praxis kann das helfen, die Echtheit eines Fotos zu überprüfen oder mehr über seine Geschichte herauszufinden. Aber auch nach der Uhrzeit, zu der ein Foto entstanden ist oder nach weitergehenden Infos zu Location wird gefragt. Und es kann auch sein, dass die Teilnehmer beim Versuch, ein Foto zu verifizieren, feststellen, dass der Rätselsteller bei den Angaben zum Bild geflunkert hat – wie im echten Social-Media-Leben.

Gesammelt werden die Aufgaben vom @quiztime-Bot mit inzwischen rund 450 Followern. Wer ihm folgt, kann in der Twitter-App Benachrichtigungen aktivieren und wird so über neue Aufgaben informiert. Einen festen Zeitpunkt für die Quizze gibt es nämlich nicht: Manchmal kommen sie in der Mittagspause, manchmal mitten in der Nacht. Manche werden innerhalb von einer Viertelstunde von mehreren Teilnehmern gelöst, andere erst nach Tagen, manche bisher noch gar nicht vollständig.

Straßenradrennen (Foto: Fiete Stegers)
Erst müssen der Ort und das Rennen identifiziert werden, um die Frage zu beantworten: Wie viel Uhr ist es hier? (Foto: Fiete Stegers)

Auch die Teilnehmer sind eine Mischung aus Journalisten, der OSINT-Community (Open Source Intelligence) und anderen Interessierten. Fasinzierend und wertvoll finde ich dabei als Teilnehmer und Aufgabensteller die spontane Online-Kollaboration: Wenn eine Teilnehmerin bei der Recherche nicht weiter kommt oder nur eine erste Erkenntnis unter das aktuelle Quiz postet, können andere das aufnehmen und vielleicht zur Lösung gelangen.

Putin steigt aus einem Auto
Wo ist Putin hier? Im vergrößerten Ausschnitt des Bildes lassen sich Details am Motorrad erkennen, die helfen können. (Foto: Fiete Stegers)

Oft wissen oder sehen bei der Verifikation mehr Leute auch mehr als der einzelne – oder gelangen zumindest durch paralleles Recherchieren schneller als Ziel. Selbst wer nicht mitmacht, sondern nur mitliest, profitiert, wenn die anderen ihre Recherchestrategien und -quellen offenlegen, die über eine simple umgekehrte Bildersuche hinausgehen. Hier gelangt leider aber auch die Mechanik der Plattform Twitter an ihre Grenzen: Ursprünglich haben wir in den Quiz-Fotos die potenziellen Teilnehmer getagged, so dass eine Antwort an alle Beteiligten möglich war. Inzwischen reicht das aber rein zahlenmäßig nicht mehr aus – und mancher möchte auch nicht via Reply über Recherchefortschritte informiert werden, weil er oder sie versucht, das Rätsel allein zu lösen.

Offengelegte Recherchewege

Die Verästelung der Unterhaltung macht es im Nachhinein für Interessierte häufig nicht ganz einfach, nachzuvollziehen, ob und wie ein Quiz schon gelöst wurde. Mal sehen, ob uns hier noch Lösungsideen kommen. In einigen Fällen haben Teilnehmer auch schon ausführliche Blogeinträge über ihre Recherchewege verfasst – wie zum Beispiel über die Frage, ob sich ein beliebiges Urlaubsfoto aus Riga im Nachhinein anhand von Architektur- und Naturmerkmalen datieren lässt, oder über die Queste nach dem Standort eines Kondomautomaten. Inzwischen werden diese sporadischen Einträge in einen Blog gesammelt. In jedem Fall kann man die Aufgaben – das wurde von uns schon in mehreren Seminaren erprobt – auch später noch sehr gut für Recherchetrainings einsetzen. Dann allerdings sollte man Suchtreffer auf Twitter.com für die Teilnehmer zur Tabu-Zone erklären.

1 Kommentare

  1. Auch im „Hifo“, dem Historischen Forum auf Drehscheibe-online wird immer wieder nach Infos zu alten Fotos gefragt. Da werden dann die Fotos dort veröffentlicht und sehr häufig gelingt es auch den Ort zu lokalisieren und zumindest den Zeitpunkt einzuschränken.

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