Nachdem das Onlineangebot der Zeit im Juni bereits wegen dem Einsatz von Facebook-Trackern den Negativpreis Big-Brother-Award erhalten hat, wurde gestern von einem Leser und Abonnenten eine Datenschutzbeschwerde bei der zuständigen Behörde in Hamburg eingereicht. Die Beschwerde kritisiert ebenfalls das massenhafte Offenlegen von eigentlich anonymen Artikelzugriffen gegenüber Facebook. Wenn Nutzer sich bei Facebook nicht ausloggen, bevor sie Artikel bei Zeit Online lesen, können alle Artikelaufrufe von Facebook personenbezogen ausgewertet und für personalisierte Werbung verwendet werden. Nach Angabe des Lesers geschehe dies auch bei zahlenden Abonnenten. Die Behörden hatten in einer Orientierungshilfe bereits im März darauf hingewiesen, dass eine solche Datenweitergabe weder erwartbar noch berechtigt ist.
In verschiedenen Blogbeiträgen hier bei Onlinejournalismus.de, aber auch in meinem Weblog rufposten.de und bei netzpolitik.org thematisiere ich die Trackingpraxis der deutschen Medienhäuser bereits länger kritisch. Bei einer Untersuchung von über 100 Medienseiten im Juni konnte ich feststellen, dass etwa drei Viertel der Seiten Trackingtools von Facebook nutzen, obwohl Bußgelder drohen. Da sich viele Verlage wegen fehlender Urteile abwartend verhalten, habe ich als Hilfe für betroffene Leserinnen und Leser zusammen mit dem IT-Experten Mike Kuketz eine Musterbeschwerde und Anleitung erstellt. Dort sind im Detail die Gründe aufgeführt, warum die Datenweitergabe durch den Facebook-Tracker gegen die DSGVO verstößt. Die nun in Hamburg eingereichte Beschwerde basiert auf dieser Vorlage. Mike Kuketz hatte zuvor in einem Blogbeitrag einen passenden Leser gesucht, der die Vorlage gegen die Zeit erstmals verwenden wollte.
Ein Interview mit dem Leser habe ich heute ebenfalls in meinem Blog veröffentlicht: „Ich finde es frech, dass Zeit-Online meine Daten an Facebook gibt, obwohl ich zahle“.
Eine Pressesprecherin von Zeit Online hatte sich bereits vor über einem Jahr gegenüber onlinejournalismus.de dahingehend geäußert, dass der Verlag eine andere Rechtsauffassung als die deutschen Behörden vertrete und dass die Offenlegung von personenbezogenem Leseverhalten gegenüber Facebook unter ein berechtigtes Interesse falle.